Es gibt einen diplomatischen Affront, und zur Abwechslung ist nicht Wikileaks daran schuld. Dass sich zwei Länder um die Besetzung von Diplomatenposten streiten, ist nicht ungewöhnlich. Bloß dass sie dies vor den Augen der Weltöffentlichkeit tun, bringt die Sache in die Nähe der Kategorie "peinliche Enthüllungen".

Begonnen hat der Streit mit einer Indiskretion. Im Zuge seiner Bestellung sprach der US-Diplomat Larry Palmer von engen Verbindungen des venezolanischen Militärs zur Farc-Guerilla in Kolumbien. Venezuelas Präsident Hugo Chávez erklärte Palmer daraufhin zum Paria, Washington antwortet nun seinerseits mit Sanktionen.

Die Reiberei ist freilich nur ein Spiegelgefecht, denn Washington und Caracas brauchen einander. Nicht nur, weil die USA der weltweit größte Abnehmer venezolanischen Öls sind. Chávez benutzt antiimperialistische Rhetorik, um im Inneren die amerikafreundliche Opposition zu schwächen und eigene Stärke zu gewinnen. In Washington hilft hingegen das Feindbild Chávez dem jeweiligen Präsidenten, die eigene Lateinamerika-Politik zu rechtfertigen.

Die USA bauen zwei Jahrhunderte nach dem Ende der Kolonialherrschaft in Lateinamerika noch immer auf Patronage und starke Militärpräsenz, etwa in Kolumbien und Peru. Die US-Diplomatie ist noch lange nicht auf Augenhöhe mit den Ländern des Südens, sehr zum eigenen Schaden. Denn so schwächt Washington seine Beziehung zu wirtschaftlich aufstrebenden Staaten. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2010)